Analyse einer Kenterung

Ein Bericht von Rollo Beckmann

Wie im vergangenen Jahr haben wir auch in diesem Jahr an der Regatta „Blaues Band der Schlei“ teilgenommen. Der Wind zwischen 4-7 Bf. war ordentlich, aber gut segelbar. Der Start erfolgte auf Raumwindkurs. Nach ausdrücklicher Freigabe des Spis durch meine Vorschoterin und deren Zusatzinfo „wenn es mir zu viel wird, lass ich alles los“ setzten wir also vor der Startlinie den Spi und starteten ganz verhalten aus der zweiten Reihe, leider etwas zu weit in Lee. Über uns lagen mehrer Dickschiffe und es dauerte einige Zeit, bis wir uns aus deren Abdeckung nach Luv durchgekämpft hatten. Aber dann ging die Post richtig ab und mit 16er-Spitzengeschwindigkeiten ließen wir einen nach dem anderen voraus segelnden Mitsegler hinter uns.

Fehler Nr.1

Mittlerweile hatten wir Böen von gut 6-7Bf, was das ziehen der (dünnen) Luvschot für meine ansonsten sehr sportliche und kräftige Vorschoterin nicht mehr möglich war. Das wäre allerdings nötig gewesen, da der Wind achterlicher gedreht hatte. Somit hatten wir – bei vollem Speed! – viel Querkraft in der Segelfläche, anstatt mehr nach vorne gerichtete Kräfte. Und das rächte sich bei der nächsten Böe: das Boot schoß bei vollem Speed ohne Chance noch abzufallen katapultmäßig in den Wind.

Fehler Nr. 2

Ein lösen der Lee- Spischot wäre noch eine Chance gewesen, die hatte sich aber um den Fuß meiner Vorschoterin gewickelt.

Fehler Nr. 3

Da meine übliche Jollen-Schwimmweste, die ja bekanntermaßen alle keinen Schrittgurt haben, mich durch das hochrutschen abnervt, habe ich kurzerhand meine automatische Rettungsweste genommen. Nachdem ich bei der Kenterung wie schon gesagt auch eher katapultmäßig ins Wasser befördert wurde, nicht ohne mir vorher noch den Schotmast (Stange, an deren oberen Ende die Großschot befestigt ist) so in den Bauch zu rammen, dass ich jetzt stolzer Besitzer eines gefühlten 1/2 qm großen Hämatoms bin, ging meine super gute Weste schlagartig auf und ich lag wie ein umgedrehter Maikäfer annähernd handlungsunfähig zwischen dem nicht zurodnenbarem Gewusel von Fallen und Schoten. Und prompt hatte sich die Spischiot im Kragen der Weste verfangen. Erst nachdem ich viel Luft aus der Weste gelassen hatte, konnte ich überhaupt agieren und mich befreien. Eine ganz beängstigende Erkenntnis: wäre das Boot durchgekentert, wäre ich vermutlich durch meine Handlungsunfähigkeit unter dem Schiff hängen geblieben und hätte ein ernstes Problem gehabt!

Richtige Entscheidung

Das erste Mal haben wir in letzter Minute vor dem Auslaufen den Kentersack montiert, dessen Ablaufdatum 02/03 war. Der Mast war nach der Kenterung keine 3 Sekunden im Wasser, da war der Sack aufgeblasen und hat das Boot mühelos über Wasser gehalten (im Gegensatz zu einer vor uns gekenterten Jolle, deren Mast im Boden steckte und bei der Bergung abbrach).

Rettung/ Aufrichten

Meine Vorschoterin war, nachdem wir ca.20 Minuten im Wasser gelegen haben, so durchgefroren, dass sie als erstes vom DGZRS abgeborgen werden musste, während ich es mir auf der unteren Seite des Cockpits bequem gemacht habe und von dort den Spi bergen konnte. Bekanntermaßen sind die Rettungsmanöver das größte Risiko fürs Material, besonders dann, wenn der Berger ein mittelgroßer Kreuzer ist. Die Crew des Rettungsbootes war wirklich sehr bemüht und auch sehr professionell, nur Schiffe wieder aufzurichten war auch für sie ein Novum. Letztlich war es aber dann nach Anweisung doch sehr einfach: durch den Auftriebssack hatte sich das Boot automatisch mit dem Rigg in den Wind ausgerichtet. Das Rettungsboot hat mir von der Leeseite eine Leine von hinten über den Rumpf geworfen, die ich über die Winsch gelegt habe. Schon beim ersten ziehen hat sich das Boot aufgerichtet.

An der Stelle nochmals vielen Dank an das Rettungsboot!!!!!!!!!

Fazit

Bis zur Kenterung war es ein richtig geiles Segelvergnügen! Natürlich werde ich nie wieder eine automatische Rettungsweste beim Jollensegeln tragen, sondern mir in meine Jollenweste einen Schrittgurt einnähen lassen. Den wiederum halte ich für sehr wichtig! Unser Kentersack wird sofort in die Wartung gebracht und bei Wind über 4 Bf grundsätzlich eingebunden. Es ist ja wirklich schön, leichte Schoten mit geringem Gewicht zu verwenden. Nur spielt bei dem Wetter das Gewicht gar keine Rolle mehr und etwas dickere Schoten hätten es vermutlich ermöglicht, die Luvschot noch bedienen zu können. In jedem Fall werden wir einen 2. Satz griffigerer Spischoten für mehr Wind anschaffen.

Ich war auch erstaunt, wie groß die Rumpfstabilität des 16er ist, es ist deshalb auch durchaus ohne Probleme möglich, mit dem Schiff bis 6 Bf zu segeln. Und was mich auch erstaunt hat, war der hohe Freibord, als das Schiff im gekenterten Zustand im Wasser lag. Trotz 30-minütigem Treiben im gekenterten Zustand, hatte wir nur 5 Eimer Wasser im Schiff, das vermutlich durch die im Deck eingelassenen Barberholerrollen eingedrungen war.

Auf jeden Fall nächstes Jahr wieder! Nur mein Bauch wird mich noch einige Wochen an das ansonsten schöne Event unangenehm erinnern.