von der Schlei zum Schweriner See
(von Wilhelm Beckmann S 460 OLGA)
Anreise am 28.09.2018 um kurz nach eins, erster Stau kurz vor Bremen, zweiter Stau rund um Hamburg, dritter Stau nach der Brücke über den NOK. Ankunft 18:15 Uhr im SYC, das große Tor steht offen, es ist schon merkwürdig, wenn man durch die große dunkle Halle in den Hafen fährt. Dort erwarten uns schon Sven und Katrin, Rollo und Corinna bauen ihren es schon auf, Arne und Ludwig Titeln auch schon Raum.
Als Vorschoter konnte ich Helge gewinnen, der allerdings erst am Samstagmorgen kommen will, da ich aber alles schon präpariert habe, kann ich die Olga auch allein aufrüsten. Abends dann-wie immer-große Tafel im Obergeschoss, es gibt Burgund braten an Sauerkraut und Kartoffeln. Dazu einige Biere, dazu viel Gerede, eine lustige Stimmung, Doris und ich verziehen uns rechtzeitig ins Hotel.
Samstagmorgen, es ist kalt, es wird Wind angekündigt, der im Laufe des Tages zunehmen soll auf 12-14 Knoten – mit einigen Böen – also alles gut segelbar, nachdem die Vorhersagen mit Sturm drohten. Vom langen Sommer verwöhnt, sind 13° schon unangenehm kühl spürbar. Die Segel werden vorsortiert, wo ist der Spinnaker? Ich suche und verzweifle: weil ich vor der Reise mit Doris an die Müritz garnicht erst in die Versuchung kommen wollte, doch einmal (gegen ihren Willen) den Spi zu ziehen, habe ich ihn schön verpackt und in den Keller gestellt. Ohne Spi nix los auf der Schlei! Mit spürbarem Widerwillen, aber sehr großherzig überlässt uns Sven seinen orange-grauen Spi (er wusste noch nicht, dass er dem die ganze Zeit hinter herfahren würde). Ich danke ihm auch jetzt noch mal für seine Gabe!
Helge und ich kranen schon recht früh, trimmen die Olga auf dem Wasser, wir haben uns ausgerechnet, dass zunächst ein langer Spikurs ansteht, wenn der Wind anschließend zunimmt, sollte die Genua II passend sein.
Ich hätte gedacht, dass bei den Vorhersagen und Witterungsverhältnissen weniger Teilnehmer als im letzten Jahr dabei sein würden, aber es haben sich 47 Schiffe eingefunden, als der Vorbereitungsschuss ertönt. Zu unserem Glück finden wir in der Nähe des Staatschefs beim Startsignal eine kleine Lücke, die wir nutzen können, um nach Luv herauszufahren und den Spinnaker im relativ freien Wind setzen zu können. Frei segeln können wir erstmal nicht, eine kleine Reiberei um die Luv-Hoheit mit einer H-Jolle, wir verschaffen uns Raum und sind vorne mit dabei. Bei dem ersten Flach wissen wir noch vom vergangenen Jahr, dass wir uns schön an die Fahrwasser-Betonnung zu halten haben und auch die Untiefen-Tonne großräumig umfahren müssen.
Zwischendurch flaut der Wind immer wieder mal ab, dann kommen wieder Böen durch, die uns beschleunigen, die aber auch das Feld von hinten auflaufen lassen, so dass wir uns nicht richtig absetzen können. Nach und nach kann man sehen, dass die vier S-Kreuzer sich einreihen, hinter uns die „Simply Red“, gefolgt von „Spöke“, kurz danach die „Heaven can wait“ mit Rollo und Corinna. Vor uns ein alter 30er Jollenkreuzer, der mit riesigem Spi seine Bahn zieht, davor allerdings noch einige Rüsselboote bzw. J 80 und ein ganz merkwürdiges rasantes Schiff, eine VX one, gesteuert von Holger Jess wie ich hinterher erfahre (aktueller und mehrfacher 505er Weltmeister). Der zieht so davon, dass man ihn kaum noch in der Ferne sehen kann, als wir die Enge von Missunde erreichen. In der Zufahrt müssen wir die Zwangstonne nehmen, eine hakelige Angelegenheit, die für uns auch gut endet, weil wir zwei Plätze gutmachen. Wie immer lässt in der Missunder Enge der Wind nach, wir haben allerdings Glück, der Strom schiebt uns mit geschätzten zwei – zweieinhalb Knoten Richtung Ostsee flott vorwärts und verschafft uns aus Gründen, die ich bislang noch nicht nachvollziehen konnte, immer weiteren Vorsprung vor den anderen Mitbewerbern auf den ersten Platz der S-Kreuzer Wertung. Schließlich segeln wir geschätzt 1,5 km vor der Simply Red und vor der Spöke, als wir vor der Eisenbahnbrücke Lindaunis die Wendetonne erreichen (und auf der richtigen Seite runden!). Jetzt geht es auf die Kreuz zurück zur Fähre Missunde.
Wegen des flauen Winds hatten wir vorher überlegt, noch auf die Genua I zu wechseln, glücklicherweise haben wir das aber nicht getan. Kräftige Böen erfordern kräftige Hände! Wir runden kurz hinter einer der J 80 die Wendemarke, die ist für uns an der Kreuz ein Gegner, mit dem sich anzulegen lohnt. Und tatsächlich erarbeiten wir uns Meter um Meter an das mit vier Personen besetzte Kielschiff heran, vielleicht es ist auch unsere gute Taktik, dass wir nach einigen Schlägen die J hinter uns lassen und zu dem 30er Jollenkreuzer aufschließen. Auch diesen können wir einholen, wir freuen uns schon über die Wahnsinnsgeschwindigkeit, die wir an der Kreuz laufen, als wir wieder bei Ulsnisland in die Missunder Enge kommen. Bei der Insel Kieholm überlegen wir uns nicht lange, diese an Backbord oder Steuerbord liegen zu lassen, da wir backbords auf dem Hinweg dort auf einen Stein aufgelaufen sind, das Schwert hochsprang und wir uns mit Glück über den Stein hangeln konnten. Allerdings endet unser Speed an dieser Stelle auch, der Wind lässt nach, zwar liegen J und 30er immer noch hinter uns, aber der kleine rote Punkt namens Simply Red wird immer größer und größer. Es rummst, als wir uns offenbar zu weit dem Festland Gunnebyer nähern, es knackt im Schiff, der Hebel, mit dem das Schwert aufgeholt wird, immerhin ein Mahagoni von 30 x 40 mm, ist gebrochen. Helge repariert notdürftig. Als nächstes können wir sehen, wie bei einer Wende die Fock der Simply Red von oben kommt. Schade für die beiden Segler, die so gut gesegelt sind (wie sich hinterher herausstellt, ist der Spleiß des Fockfalls aufgegangen, ein typisches Problem bei Dynemafallen, wenn dieser nicht ganz sorgfältig verarbeitet worden ist.)
Dahinter droht aber auch schon wieder die „graue Gefahr“, Katrin und Sven machen ihrem Namen alle Ehre und „Düsen“ näher und näher. Es ist zum Verzweifeln, wir wissen nicht was zu tun ist, bei jeder Wende verringert sich der Abstand zwischen uns, es ist so als wenn uns der Strom mit zweien Halbknoten zu Katrin und Sven treibt und diese ohne Strom auf uns zu fahren. Irgendwann treffen wir uns nach einer Wende, wir kommen noch knapp vor deren Bug vorbei, noch ein solcher Schlag, und sie sind vor uns. Ich kann allerdings nicht den Grund dafür benennen, aber bei dem nächsten Schlag wird der Abstand zwischen uns wieder größer. Ein weiterer Schlag ganz nach Backbord unter Land und wir sind wieder weiter weg von der grauen Gefahr. Und das setzte sich dann Schlag auf Schlag in dem engen Fahrwasser fort, Katrin, Sven, die J und der 30er bleiben hinter uns, nur die blaue X332 hält bei dem Getümmel ihren Mast weit oben und fängt mit ihrem Großsegel den Wind dort ein und ist an uns vorbei ins Ziel gezogen. Für uns noch einmal ein hartes Stück Arbeit bis ins Ziel, aber wir sind immer noch ziemlich weit vorne, das wissen wir beim Zieldurchgang (Am Abend erklärt uns ein Einheimischer, was es mit dem Neerstrom in der Enge auf sich hat und wie man die Strömung nutzen muss!).
Ein wenig widerwillig lässt sich der Steuermann der X bewegen, uns an den Haken zu nehmen und nach Schleswig zurück zu schleppen, er will allerdings nicht warten, bis Katrin und Sven die letzten 50 m zu uns gefunden haben. Für uns ist der Rückweg daher ein leichter, für die anderen allerdings noch mal ein ordentlicher Kampf mit Wind und Welle und insbesondere auch der Kälte.
Dennoch, das Resümee zum Blauen Band der Schlei lautet: Ein großer Spaß, sich auch mit anderen Schiffen unter Yardstickbedingungen zu messen und für uns natürlich ein gutes Training. Und immerhin: letztes Jahr waren wir fünfte, dieses Jahr vierte der Gesamtwertung, wir können uns also noch steigern. Und die 16er-Bande hat sich wacker geschlagen, drei unter den ersten 10! Und Simply Red wäre sicherlich auch dort gelandet. Wir haben die Klasse gut vertreten!
Zur Erholung sind Doris und ich am Sonntag nach Flensburg geradelt, wo wir Corinna und Rollo in ihrem Hausboot besucht haben. Es ist doch sehr angenehm, bei kaltem Wind im Warmen zu sitzen und das Hafenkino mit großem Panoramablick zu genießen.
Am nächsten Tag auf nach Schwerin, wo wir bei strömenden Regen ankommen und uns im Hotel einrichten. Im Schweriner Yachtclub ist bei diesem Wetter auch nur wenig los, allerdings stehen schon Jens/Steffi und Katrin/Sven mit ihren Mobilen im Windschatten, immerhin ist „eindeutig/zweideutig“ schon im Wasser, die Stücke allerdings noch voll verpackt. Den Hebel auf dem Schwertkopf wieder neu anzubringen ist eine Aufgabe, die ich mir zusammen mit dem Hausmeister Nöhlen gestellt habe, der sich sofort zur Hilfe angeboten hat. Jens Hucke schaut sich das Schwert allerdings noch mal gründlich an und stellt fest, dass der Schwertkopf, immerhin aus Kohlefaser, an der Wurzel gerissen ist. Nach weiterer Untersuchung bleibt mir nur noch übrig, Helge anzurufen und auf das Segeln zu verzichten.
Bei der Wettervorhersage musste der Verzicht auch nicht ganz so schwer fallen: angekündigt 5 Bf. in der Grundstärke mit Böen bis 8 Bf.!
Erst einmal aber abends das Treffen der 16er auf Anforderung an Bruder Friedrich im Seglerheim des SSV von 1894: fünf 16er Crews samt Anhang sitzen in dem überaus sehenswerten Heim am Wasser, keine 300 m vom Schweriner Schloss und der Stadt entfernt. Wir denken laut darüber nach, hier auch mal eine IDB auszusegeln, nah an der Stadt in einem tollen Revier.
Ein gemütlicher Abend, die Gedanken nachts sind vom Wetter geprägt.
Das zeigt sich denn auch so, wie angekündigt. Als wir im Hafen ankommen, haben Steffi/Jens und Rollo und Corinna bereits die Schiffe im Wasser, das von Böen gepeitscht wird. Beide wagen sich hinaus, allein das ist schon bewundernswert. Raus auf die stürmische See, Rollo segelt gleich auf die Untiefe Rakow, oha, wenn das man gut geht. Viel mehr Schiffe als ich dachte, segeln nach dem Startschuss los, wir können von Land, gut geschützt hinter einem großen Boot sehen, wie ein Surfer mit einem Wahnsinnsspeed geschätzt ca. 25 kn losrast, gefolgt von einem 30er und den 20ern, 16ern und 15ern. Ein Hobie 16 nimmt auch Fahrt auf, die allerdings endet bereits nach wenigen Minuten in einer Kenterung. Wir sehen die Schiffe noch nach der ersten Tonne, zwei Wagemutige ziehen sogar noch den Spi! Einer davon ist Jens Hucke, der kriegt auch nie genug. Dann verschwindet die Flotte hinter der Insel Ziegelwerder, wir warten, irgendwann muss die Flotte auch wieder auftauchen. Wir sehen – diesmal in weiter Ferne – erst nur einen Surfer, dann den 30er, dann einige andere Boote, aber keinen 16er! Einige Zeit später, aber nicht in der erwarteten Richtung Nordost der Insel, sondern südöstlich, offensichtlich in schwerer See, sehen wir etliche Schiffe ankommen. Erst rätseln wir, dann erkennen wir Jens/Steffi nur unter Fock und Rollo/Corinna mit Vollzeug, deren Segel aber in den Böen völlig offen ist. Beide Boote haben die Sturmfahrt unbeschadet überstanden, aber mussten sich den Wind- und Wasserverhältnissen geschlagen geben. Aber auch das zeugt von guter Seemannschaft, wenn man erkennt, dass die Natur mächtiger ist. Meinen Respekt beiden Seglerpaaren. Zwei 20er gekentert, ein Boot mit Mastbruch, die Reihe der DNF ist groß, wie in der Liste zu sehen ist.
Doris und ich machen uns danach auf die Rückreise, die Eindrücke werden aber noch lange nachwirken. Ein Wochenende, das sich auf jeden Fall gelohnt hat und wohl auch im nächsten Jahr wieder angesteuert wird!